Martin Boyce "Broken Fall Broken"
Martin Boyce, Radierung "Broken Fall Broken", handsigniert, 59 x 79 cm.
Das Werk von Martin Boyce, 1967 in Glasgow geboren, verfügt über eine schier unendliche Zahl an Referenzen auf Objekte der Kunst-, Architektur- und Designgeschichte und ihren gesellschaftlichen Entstehungskontext ebenso wie auf seine eigenen Arbeiten. In langen Zyklen widmet er sich einem Gegenstand bzw. Thema, dem er sich formal auf verschiedene Art und Weise nähert. Aus seiner Beschäftigung mit dem modernistischen Design der 40er/50er Jahre und seinen Protagonisten, den Brüdern Charles und Ray Eames und dem Erfinder der „Ameise“, Arne Jacobsen, beispielsweise sind zahlreiche Installationen, Skulpturen und Bilder entstanden. Neben internationalen Ausstellungsstationen waren einige dieser Arbeiten vor zwei Jahren auch Teil der viel beachteten Ausstellung des Hamburger Kunstvereins Formalismus. Moderne Kunst, heute.
Boyce Edition für die griffelkunst gehört zu einer Gruppe von Arbeiten, in denen er sich mit den Stahlbeton-Bäumen des französischen Architekten Robert Mallet- Stevens auseinandersetzt, die 1925 in der Pariser Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes zu sehen waren. Unter anderem hat Boyce die Bäume in Papier nachgebaut und von den Papiermodellen Photogramme und Photographien erstellt sowie ausgehend von den Elementen der Bäume ein Mobile aus Stahl entworfen. Auch seine druckgraphischen Arbeiten basieren auf einem von den formalen Proportionen der Bäume abgeleiteten Muster. In diesem Muster hat er wiederum Buchstaben entdeckt und daraus eine Schrift entwickelt. So öffnet er auf Ebene der Sprache einen weiteren, poetischen Zugang zum Motiv.
Je mehr man bereit ist, sich auf das Boyce’sche Universum einzulassen, desto spannender wird es, den bisweilen verschlungenen Pfaden der ästhetischen Auseinandersetzung mit seinem Gegenstand zu folgen. Innerhalb der Edition lassen sich, auch ohne Vorwissen, einige Entwicklungen nachvollziehen: Die beiden von zwei Platten (schwarz auf einen nahezu transparenten Farbton) gedruckten Motive zeigen wie Boyce die Schrift aus dem fortlaufenden Muster entwickelt hat, das im ersten Druck der Serie vorgestellt wird. Auch die Platzierung der artifiziellen Buchstaben in dem ebenfalls in transparent bis schwarz Abstufungen dreifach übereinander gedruckten Broken Fall basiert auf diesem Grundmuster. Hier wird es jedoch nicht mit abgebildet, wodurch die Buchstaben tatsächlich in die Tiefe zu fallen scheinen. Neben Übersetzungen wie „fallen“, aber auch „Zusammenbruch“, ist „Fall“ im amerikanischen Englisch auch ein Synonym für Herbst, womit sich einerseits der Kreis zu den mit „Autumn“ betitelten Drucken schließt und andererseits neue Assoziationen geweckt werden, etwa zu fallendem Herbstlaub. Anhand der Konzeption der Serie lässt sich anschaulich aufzeigen, dass die Arbeiten von Martin Boyce zusätzlich zu ihrer formalen Strenge und inhaltlichen Komplexität stets auch einen unmittelbar ästhetischen, fast spielerischen Zugang anbieten – und genau darin liegt ihre besondere Qualität.